Montag, 15. Mai 2006

Kampfhund

Die Angst lässt ihn hecheln, drückt ihm die Kehle zu, sein Atem flattert hellauf und fliegt ihm davon. Diesmal muss das letzte Mal sein,
was tut er hier, denkt er sich, während seine Seiten im scheinwerferhitzigen Luftzug zittern.
Irgendwann muss jeder seinen Meister finden, beim nächsten Mal würde es so weit sein mit ihm. Zu lange schon das Glück herausgefordert. Das Wohlwollen der Zuschauer stets auf tönernen Füßen. Deren Gier beschränkt sich aufs Zerreissen in der Luft, ganz egal wen. X-beliebig. Doch nein, die verwöhnten siegreichen sehen sie lieber bluten. Dabei macht keiner von denen sich die Pratzen schmutzig.

Er entlässt ein verächtliches Knurren in die elektrisch helle Kammer, in der er sitzt. Man zerfetzt nicht, man lässt zerfetzen, sagt er sich bitter, wieder Galle schmeckend, obwohl er diesen Umstand längst schon hingenommen glaubte. Ob es irgendwann ihn trifft ist keine Frage über die er sepkulieren muss. Die Augen der Zuschauer wären lüsterne aufgerissene Kanalrohre, würde es endlich ihn erwischen, den Gottkönig der Gefechte. Er kennt das von denen, die ihm im Rampenlicht unterlagen. Stets hatte er einen Seitenblick für die Zuschauer übrig, auch bei höchster Konzentration auf sein Opfer. Er will nicht, aber kann nicht anders, die Kanalrohre saugen ihn an. Die kalte Faszination in den Augen des Publikums.

Der Kampfhund sitzt da und schwitzt auf seine Art: eisig nach innen.
Würde er anders schwitzen müsste die Frau mit Bürste und Puderquaste kommen, ihn aufmöbeln. Das will er nicht. Sie würde dann in seinem Spiegelbild, das sich ihr entgegenwirft das Zurückschrecken seiner Augen sehen. Zeig niemals eine Schwäche jemanden gegen den Du nicht antreten kannst. Den Du nie wirst niederkämpfen und besiegen können. Gefangen in seinem Gedankenkarussel merkt er nicht, dass die Puderquaste, so nennt er insgeheim diese Frau, sich längst im Raum befindet, übersieht das Wasser das sie ihm hingestellt hat, spürt nicht das scherzhafte Tätscheln am Schädel.

Die Panik kriecht an ihm hoch noch ganz gemächlich und stellt dabei jedes einzelne seiner Haare senkrecht, als wäre sie eine arme Bäuerin und seine Borsten nach einem Unwetter niedergedrückte Kuckeruzhalme. Ha. Dabei weiss der Kampfhund genau um ihre Niederträchtigkeit. Wie sie sich erst langsam anschleicht und lauert, um ihm dann im rechten Moment an die Gurgel zu gehen. Doch darum geht es nicht, jetzt.
Es geht darum ordentlich in Wut zu geraten vor dem Gefecht. Er muss die Angst, das Hecheln und Schwitzen nur genug hassen, dann würde er noch einmal bestehen. Nur einmal noch.
Es gilt den Impuls hinter einen Tisch, unter eine Decke zu kriechen umzumünzen in Groll auf seinen Gegner, der ihn am Wohlsein hindert, allein durch seine Anwesenheit. Gleich würde man ihn auf den heutigen Gast loslassen, gleich würde das gelbe Licht in der Kammer dunkelrot flackern, als wollte es damit nocheinmal und mit Nachdruck die zähnefletschende Wut einmahnen, die Finten, Seitenhiebe und Untergriffe, die der Kampfhund Schlag auf Schlag abzuliefern hätte. Gleich.

Die Angst lässt ihn hecheln, drückt ihm die Kehle zu, würgt ihn, sein Atem flattert hellauf und fliegt ihm davon. Diesmal muss das letzte Mal sein, was tut er hier, denkt er sich, während seine Kopfhaut im scheinwerferhitzigen Luftzug sich zusammenzieht.
Wie seine Hoden schrumpfen. Fast muss er lachen, als er es fühlt.
Die wollen sich verkrümeln in den Beckenboden wie Gespenster auf den Dachboden, wie Schnecken ins Haus. Aus die Maus. Doch er kennt das schon. Die kommen wieder, wenn die Gefahr sich verzogen hat. Beinahe muss er lachen. Ein Lachen wie Säure. Säurebad, warmes.

Da, es geht los, plötzlich und wie von selbst. Er kennt das schon. Kippschalter im Kopf. Die Muskeln des Kampfhundes spannen sich an, umspannen ihn körpernah, knapp geschnitten, sehr sexy: Das Korsett, das ihn am Taumeln hindert. Das Adrenalin schäumt auf und emulgiert zu Dopamin. Die Belohnung fliegt ihm augenblicklich ins Hirn und beinahe erleichtert stellt er fest: er funktioniert, beginnt sich und seine erbärmliche Furcht den Erfordernissen entsprechend zu verachten.

Nocheinmal geht er im Geist alle seine Töne, Hoch- und Tieflagen durch, seine Tricks und Sprünge die er auf Lager hat, noch einmal heult er im Flüsterton mit seinen inneren Wölfen. Dass bloß keiner es hört.
Geschmeidig scheinen ihm alle seine Bänder und Fasern.
Das Signal ertönt und erleuchtet zugleich, gut dressiert wie er ist, setzt er sich in Gang durch den Korridor auf das Licht zu, das ihn jetzt blendet und in dessen Zentrum er, durch das Gleißen noch unsichtbar, sein Gegenüber das es niederzumachen gilt weiss. Gleich.

Was tue ich, denkt er sich, es muss ein Ende haben, aus dem Weg mit Dir Störenfried, ich werde auch Dich noch beiseite schaffen, dieses eine Mal noch, damit ich endlich meine Ruhe habe, dann.
Applaus, Gejohle fängt ihn auf und wieder ein, trägt ihn hoch hinaus und setzt ihn ab in der Mitte des Podiums, wo ein Moderator aus dem Off ihn jetzt ankündigt mit gewaltiger Stimme. Der Kampfhund bleckt die Zähne zu einem Grinsen das sein Gesicht bald zu halbieren scheint, zwei ungleiche Hälften derselben Vissage. Er setzt sich in den dunkelfarbenen Lederstuhl, der jetzt leise quietscht, vertrautes Quietschen, nur ihm hörbar, ihm zu Ehren. Ein letzes Mal, dieses eine Mal noch, versprochen, nur dieses letzte Mal. Stoßgebet, den Spots entgegengeschleudert, dort ins Licht. Vielleicht verbirgt er sich dort droben, der jetzt dringlich angebete. Um Gnade vor seinem Publikum betet der Kampfhund, nicht um irgendeine andere. Die Verachtung lässt ihn hecheln, drückt ihm die Kehle zu, er würgt, sein Atem flattert und fliegt ihm davon. Diesmal wird das letzte Mal sein, was tut er hier, denkt er sich während sein Herz im scheinwerferhitzigen Luftzug
sich ballt.

Er setzt sich manierlich fast seinem heutigen Mitspieler gegenüber, seinem Gast, nennt dessen Namen, packt ihn am Arm, fixiert ihn so, als würde er bereits seine Zähne dem ins Weiche schlagen, lächelt ihn an und stellt seine erste strittige Frage.


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