Subjektive Farbenlehre
Die meisten Reiseberichte mag ich nicht. Bevor ich mir durchlese wie jemand - das Licht das sich in Ginko-Zweigen bricht - zu beschreiben versucht, gehe, fahre oder fliege ich lieber selbst dort hin und schaue mir das an. Wenn ich kann. Und sofern mich das Licht, das sich in Ginko-Zweigen bricht, interessiert.
Die chinesische Kultur ist (im Gegensatz zur westlichen blauen) übrigens gelb. Habe ich gelesen und kann ich bestätigen, zumindest was die Hauptstadt betrifft. Nirgendwo so viele gelbe Schutzhelme, wie um die Baustellen Beijings. Und so viele Baustellen pro Quadratmeter. Und so viele Menschen pro Baustelle. Die dort auch schlafen, neben ihren zu kleinen Mauern aufgetürmten Pflastersteinen, im besten Fall in Zelten, meistens unter Planen.
Nirgendwo ein so gelber Himmel, denn die Wüste ist nah und hustet den circa 16 Millionen Einwohnern der Hauptstadt was. In Schmutzig-Gelb. Ockergelb die Dachziegel des Kaiserpalastes und die ungeteerten Straßen der Vorstadt, Huang, die Farbe der ehemaligen Herrscherdynastien.
Die westliche Kultur, wie schon erwähnt, ist blau. Wahrscheinlich wegen der Uniform aus Denim, die die Wessies tragen, genauso wie die Chinesen auch. Cyan- oder Elektroboogieblau, als wollte man dort Weite suggerieren, wo nichts dahinter steckt als von Abrissbirnen erzeugter Kuddelmuddel, sind ausserdem die Blechwände, die als Sichtschutz um die zahllosen Baustellen Beijings gestellt werden. (Wenn dieser Sichtschutz nicht gerade gellend Grün und eine unfassbare Fototapete ist.)
Die Chilischoten, unter denen der knusprig gebratene Fisch wie umhüllt von einem aufreizendem Mantel liegt und duftet, sind feuerrot, ziegelrot, oder rostrot. Rot natürlich auch die Glücksbringer, Kunst oder Krempel, Räucherwerk, Lampions, die Nationalflagge der Volksrepublik. Und die Braut trägt Scharlachrot. Das bedeutet Glück und Reichtum. Für Glück und Reichtum genieren sich die Chinesen nicht so wie wir.
Ich glaube aber nicht, dass man sich in Beijing für nichts geniert. Man errötet genauso, aber wegen anderer Dinge. Zum Beispiel dafür, dass man als Taxifahrer den Weg nicht kennt. Deswegen kennt man als Taxifahrer den Weg immer.
Fast Schwarz ist die Nacht in den Suburbs und weiter draussen. Die verschwenderischen Mengen an Kabel, die in kunstvoll verschnörkelten oder akkurat gerollten Arrangements um die dunklen Straßenbeleuchtungskörper geschlungen sind, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier alles fließt, bloß kein elektrischer Strom. Noch nicht. Denn die Stadt gebärdet sich wie eine wildgewordene Wanderdüne. Was gerade noch gefehlt hat ist urplötzlich da. Bis zum Morgen türmt sich, was keiner erwartet hat.
Auch Bäume. Wie Pilze schießen sie aus dem Boden, oder werden flugs gepflanzt, über Nacht, in Windeseile und in ausgewachsener Größe. Um jeden noch nicht vollständig dem Erdboden gleichgemachten Hutong, um jede betriebsame Taxi-Wasch-und-Reparier-Anlage, entlang aller Ein- und Ausfallstraßen der Stadt, unter, nebst und beim Expresshighway: In Reih und Glied stehen die frisch gesetzten Bäume da gleich Garnisonen winkender Soldaten. Arg gebeutelt. (Der Wüstenwind, Sie wissen schon.) Meist sind diese Bäume graugrün, grüngrau, schwarz oder verwischt.
Notiz an mich selbst: Apropos Grün, pass auf, wo Du hintrittst.
Eins noch: Weiss hat in China mit Unschuld und Reinheit nichts zu tun.
Trotzdem gehen viele Chinesinnen nur mit Sonnenschirmen oder Hüten ins Freie um blass zu bleiben wie Schneewittchen. Sonnengebräunt zu sein bedeutet bäuerlich zu sein, bedeutet mit seinen Händen arbeiten zu müssen, bedeutet arm zu sein. Wäre nicht irgendwann Coco Chanel gekommen um den Europäern das Sonnenbaden beizubringen, wäre es im Westen wohl noch genau so und das Melanom hätte keine Chance.
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Die chinesische Kultur ist (im Gegensatz zur westlichen blauen) übrigens gelb. Habe ich gelesen und kann ich bestätigen, zumindest was die Hauptstadt betrifft. Nirgendwo so viele gelbe Schutzhelme, wie um die Baustellen Beijings. Und so viele Baustellen pro Quadratmeter. Und so viele Menschen pro Baustelle. Die dort auch schlafen, neben ihren zu kleinen Mauern aufgetürmten Pflastersteinen, im besten Fall in Zelten, meistens unter Planen.
Nirgendwo ein so gelber Himmel, denn die Wüste ist nah und hustet den circa 16 Millionen Einwohnern der Hauptstadt was. In Schmutzig-Gelb. Ockergelb die Dachziegel des Kaiserpalastes und die ungeteerten Straßen der Vorstadt, Huang, die Farbe der ehemaligen Herrscherdynastien.
Die westliche Kultur, wie schon erwähnt, ist blau. Wahrscheinlich wegen der Uniform aus Denim, die die Wessies tragen, genauso wie die Chinesen auch. Cyan- oder Elektroboogieblau, als wollte man dort Weite suggerieren, wo nichts dahinter steckt als von Abrissbirnen erzeugter Kuddelmuddel, sind ausserdem die Blechwände, die als Sichtschutz um die zahllosen Baustellen Beijings gestellt werden. (Wenn dieser Sichtschutz nicht gerade gellend Grün und eine unfassbare Fototapete ist.)
Die Chilischoten, unter denen der knusprig gebratene Fisch wie umhüllt von einem aufreizendem Mantel liegt und duftet, sind feuerrot, ziegelrot, oder rostrot. Rot natürlich auch die Glücksbringer, Kunst oder Krempel, Räucherwerk, Lampions, die Nationalflagge der Volksrepublik. Und die Braut trägt Scharlachrot. Das bedeutet Glück und Reichtum. Für Glück und Reichtum genieren sich die Chinesen nicht so wie wir.
Ich glaube aber nicht, dass man sich in Beijing für nichts geniert. Man errötet genauso, aber wegen anderer Dinge. Zum Beispiel dafür, dass man als Taxifahrer den Weg nicht kennt. Deswegen kennt man als Taxifahrer den Weg immer.
Fast Schwarz ist die Nacht in den Suburbs und weiter draussen. Die verschwenderischen Mengen an Kabel, die in kunstvoll verschnörkelten oder akkurat gerollten Arrangements um die dunklen Straßenbeleuchtungskörper geschlungen sind, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier alles fließt, bloß kein elektrischer Strom. Noch nicht. Denn die Stadt gebärdet sich wie eine wildgewordene Wanderdüne. Was gerade noch gefehlt hat ist urplötzlich da. Bis zum Morgen türmt sich, was keiner erwartet hat.
Auch Bäume. Wie Pilze schießen sie aus dem Boden, oder werden flugs gepflanzt, über Nacht, in Windeseile und in ausgewachsener Größe. Um jeden noch nicht vollständig dem Erdboden gleichgemachten Hutong, um jede betriebsame Taxi-Wasch-und-Reparier-Anlage, entlang aller Ein- und Ausfallstraßen der Stadt, unter, nebst und beim Expresshighway: In Reih und Glied stehen die frisch gesetzten Bäume da gleich Garnisonen winkender Soldaten. Arg gebeutelt. (Der Wüstenwind, Sie wissen schon.) Meist sind diese Bäume graugrün, grüngrau, schwarz oder verwischt.
Notiz an mich selbst: Apropos Grün, pass auf, wo Du hintrittst.
Eins noch: Weiss hat in China mit Unschuld und Reinheit nichts zu tun.
Trotzdem gehen viele Chinesinnen nur mit Sonnenschirmen oder Hüten ins Freie um blass zu bleiben wie Schneewittchen. Sonnengebräunt zu sein bedeutet bäuerlich zu sein, bedeutet mit seinen Händen arbeiten zu müssen, bedeutet arm zu sein. Wäre nicht irgendwann Coco Chanel gekommen um den Europäern das Sonnenbaden beizubringen, wäre es im Westen wohl noch genau so und das Melanom hätte keine Chance.
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Nachtbriefkasten - 4. Jun, 18:25