Drohbriefe

Donnerstag, 27. Dezember 2007

Befindlichkeitsprosa zum Thema Mist. (Eine Entsorgung)

Weil es gerade in die Zeit passt, Weihnachten und so:
Müll. Dreck, Mist, Kehricht, Abfall, Wertstoff.

Wo ich lebe, lebt MAN ja in einem Land der Selektierer - je früher um so besser - im Land der Aussortierer und Trenner. Sicher, das betrifft nicht nur den gemeinen Hausmüll, aber dieser, als Beispiel, macht die Sache anschaulich und plakativ. Als Zuwanderin kam ich in den späten Neunzehnhundertachtzigerjahren aus dem zum Thema Mülltrennung & Akribie noch weitgehend unbeleckten Osten in den bereits damals sauberereren Westen. Wenn ich mich recht erinnere, diskutierte man hier damals immer noch gerade heftig und emotional die Benamsung eines Schiffes, das 1965 (!) in Betrieb genommen worden war. (Was weiß ich, wie unannehmbar es laut Bundesregierung, also den Großkopfeten "z'Wian", heißen hätte sollen, vielleicht Lieber Augustin, Habedieehre oder Gschamsterdiener, jedenfalls setzten sich die westlichen Sturschädel durch, und das Schiff verkehrt seither mit dem stolzen Namen Ohovorarlberg auf jenem allergrößten, in jedem Fall aber allertollsten allerallersaubersten Binnengewässer.)
Ausserdem brandheisses und immeraktuelles Thema war zur Zeit meiner Zuwanderung der Abspaltungswunsch der Bewohner jenes westlichsten Mikrobundeslandes von Österreich mit gleichzeitigem Anschlusswunsch an die Schweiz. Daran hatte sich seit 1919 nicht viel geändert. Die seit jeher stolz abgeschottete Schweiz konnte bzw. wollte aber mit der separatistischen Mirkrobe, soweit ich weiß, ohnehin nichts anfangen, also blieb alles beim Alten und der latente Wunsch der Mikrobe gloste wie ein gemeiner, stets kurz vor der Totalentzündung stehender Glimmbrand weiter. Zum Glück funkte der EU-Beitritt 1995 vital dazwischen. Mittlerweile dürfte der Abspaltungs- und Wegsortierungswunsch bei der Mehrheit der Bewohner dieses Zipfels Land weitgehend abgeheilt oder zu einer bisweilen durchaus passenden Aufmüpfigkeit sublimiert sein.

Das erste was man mir also in diesem etwas eigentümlichen Land in die Hand drückte war der Wohnungsschlüssel zu einer ebenerdigen 25 qm Mietwohnung (Wohnschlafzimmerkochkojenbadklo mit ohne Balkon) und zwei verschiedene Plastiksackrollen. Eine schwarz, eine grün. (Später kam dann noch eine gelbe hinzu.) Desweiteren einen grünen verschließbaren Plastikkübel, der sogar einen eigenen Namen trug, nämlich Oskar, und die Haus- und Müllordnung: Der schwarze Sack, er war riesig und gedacht für den sog. im Haushalt anfallenden Restmüll, jedoch nicht für Wertstoffe, durfte ausschließlich und unter Androhung von, bei Zuwiderhandeln fälligen, Sanktionen, jeden zweiten Mittwoch ab 17.00 an die, für die Abholung durch die Restmüllabfuhr vorgesehene Stelle, an die Straße gestellt werden. Der grüne Sack, er war nicht viel kleiner, war in Oskar zu stecken und anschließend darin der anfallende Biomüll, also Bananenschalen, Wurstreste, verdorbender Nudelsalat, faule Eier, nicht jedoch Hausstaub, Kehrricht, Haare oder Wertstoffe, zu sammeln, bis der Sack schließlich jeden dritten Dienstag nicht vor 18.00 an dem anderen zur Abholung durch die Biomüllabfuhr vorgesehenen Platz an der Straße bereitgestellt werden durfte. Uff!
Ich fühlte mich augenblicklich überfordert, ließ mich dadurch aber nicht entmutigen und versuchte den Regeln dieses Landes, dieser Stadt und dieses Hauses so diszipliniert wie möglich zu entsprechen. Selbstverständlich scheiterete ich. Dazu später.

Vorerst musste MAN, um der Müllordnung nachkommen zu können, eine eigene ganz private möglichst schicke Indoor-Deponie einrichten. (Schlaue Stadtverwaltung, die, ihrer Zeit damit weit voraus, bereits Ende der Neunzehnhundertachtzigerjahre voll auf Outsourcing setzte und die kosten- weil arbeitsintensiven Angelegenheiten des Abfalles schlichtweg an ihre Bürger delgierte, sprich, sie privatisierte. Ich erinnere mich noch gut daran, dass für das eifrige und für die Stadtverwaltung unentgeltliche Mitarbeiten der Bürger diesen eine baldige Reduktion der dennoch üppig zu entrichtenden Abfallentsorgungsgebühren in Aussicht gestellt wurde. Die Bürger warten nach wie vor hoffnungsvoll darauf, wiewohl sie schon aus reiner Liebe zur Sache gerne sortieren.)

Sicher in der redlichen Überzeugung, jeder Bürger dieses sauberen und reichen Landes residiere in seinen privaten weitläufigen Besitztümern mit zahlreichen Latifundien und natürlich einem eigenem im ausgebauten Keller mit Sauna gelegenen Entsorgungs-Center, sah sich die Verwaltung nicht genötigt, ausser den zwangsbunten Plastiksäcken und Oskar-Eimern weitere Hilfmittel zur Errichtung der privaten Mülldeponien zur Verfügung zu stellen. Meinem überkompensatorischen Wunsch nach Anpassung gemäß und in der Gewissheit, jedes Versagen in dieser Causa wachse auf meinem eigenen Mist und sei keineswegs systemimmanent, überlegte ich mir eine Weile sogar, im selben Wohnblock ein weiteres Wohnklo zu mieten. Das eine als Mülldeponie, das andere zum Wohnen. Dieser Plan scheiterte lediglich an meinen damals eher begrenzten finanziellen Mitteln und den im Gegenzug dazu horrenden Mietkosten. Stattdessen gedieh das Einzelkämpfertum. Prächtig.
Also funktionierte ich mein 25 qm Wohnschlafzimmerkochkojenbadklo mit ohne Balkon um zur Wohnschlafzimmerkochkojenbadklomülldeponie mit ohne Balkon dafür mit eigenwilligem Plastiksackdekor und stets durchweht von einem Hauch jenes Geruchs, den man heute so gar nicht mehr kennen würde, gäbe es nicht diese privaten Ablagerungen.

Da ich, in meiner offenbar aus dem Osten importierten Unfähigkeit zur Akribie, mit den zweiten Dienstagen und dritten Mittwochen, oder war es umgekehrt, geradewegs durcheinanderkam, geriet das ganze System rasch zum Chaos. In meiner Wohnschlafzimmerkochkojenbadklomülldeponie stapelten sich alsbald schwarze Müllsäcke, die just in DIESER Woche nicht entsorgt werden durften und mir nach einem solchen Fehlversuch vom Blockwart postwendend vor die Tür zurückgeschmissen wurden, umkreist von, mir seither als Haustiere treu gebliebenen, sog. Mümüs (Müllmücken), korrekt nennt man sie wohl Fruchtfliegen, die sich im Dunstkreis von vollgestopften Oskars besonders wohlfühlen.
Um das Entsorgungssystem zu optimieren, soll heissen, um zu verhindern dass der stets potenziell unartige Bürger aus Gründen, die keinen etwas angehen, einfach hie und da einen halbvollen Sack an die hierfür vorgesehne Stelle an der Straße zu stellen wagt, kostete natürlich jeder dieser offiziell zugeteilten Riesensäcke extra, und zwar nicht wenig. Nur solche, registrierte und mit offiziellem Stadtsiegel versehene, durften verwendet und vom Entsorgungsunternehmen entsorgt werden. Und so musste, vor allem dort, wo auf das Geld geachtet werden musste, darauf geachtet werden, dass der schwarze oder grüne Sack stets bis zum Erbrechen gefüllt wurde, was, wenn man ohnehin schon die Mittwoche und Dienstage durcheinanderbrachte, das private Deponieproblem nicht unwesentlich verschärfte.
Mit einem Satz: Das System war perfekt.

Eine Zeit lang hielt ich durch, dann aber, mürbe gemacht von geraden Dienstagen und verkehrten oder fallengelassenen Mittwochen, stinkenden Müllsäcken und schimpfenden Blockwarten, tat ich, was politisch gewollt ist, und sah zu, dass ich rasch mehr und mehr Geld verdiente um schnellstmöglich in grössere und grössere Bleiben umziehen zu können, um endlich mehr und mehr Platz für die zahlreicher, farbenprächtiger und teurer werdenden Müllsäcke zur Verfügung zu haben. Usw.

Mittlerweile - viele Jahre sind seither ins Land gezogen und die Spezialisierung auf diesem Gebiet ist wie überall munter fortgeschritten, der Abfall wird von privaten Firmen aus Deutschland abgeholt und zur "Entsorgung" danach wahrscheinlich durch halb Europa gekarrt, die Entsorgungsgebühren steigen weiter und weiter Jahr für Jahr aufgrund der gestiegenen Transport- und Spezialisierungskosten - mittlerweile also, gibt es auch noch den gelben XXL-Sack mit dem ganz bestimmte, aber nicht etwa alle Kunststoffe im eigenen Heim, nach Vorreinigung (im eigenen Interesse), und der Vorsortierung nach spezifischem Gewicht und molekularer Struktur zu sammeln sind. Zur Wiederzuführung von Metallabfällen in den Recyclingkreislauf fährt der verantwortungsvolle (gut dressierte ) Bürger, natürlich NACH erfolgter monatelanger Ansammlung von Kronenkorken, Nesspressokapseln, Thunfischdosen, Kaffeerahm- und Joghurtbecherdeckeln im Eigenheim und in selbsterfundenen möglichst platzsparenden Behältnissen, mit dem privaten PKW zu einer der drei in der Gegend weitläufig verstreuten und video- oder vielmehr anliegerüberwachten Sammelstellen, denn nicht an jeder beliebigen Abfall-Station darf Metallabfall einfach so abgegeben werden, da könnte schließlich ein jeder kommen und wo kämen wir da hin? Ebenso verhält es sich mit Altglas, farbig oder farblos, wobei nicht jedes Glas entsorgt werden darf, z.B. keine irgend jemandem hintergeworfene und dabei zu Bruch gegangene geblümte Blumenvase, dafür aber sehr wohl das industriell hergestellte Gurkenglas. Altpapier hingegen darf man tatsächlich an einem meist nur etwa 500 Meter von Jedem entfernten Platz entsorgen. Zum Loswerden von sperrigem Gut wiederum, muss man beim Amt einen Termin....Für gebrauchtes Speiseöl erhält man sogar eigene Gebinde zur Zwischenlagerung im Eigenheim zur Verfügung...einmal im Jahr darf man sie gegen Entgelt...die machen daraus Ökostrom, der teurer ist als der normale.. Teebeutel und Wattebäusche gelten als.... Sondermüll...Die Bürger sind zu wahren Abfallwissenschaftlern geworden, deren liebstes Hobby das Selektieren und Trennen ist. (Manchmal kommt mir der Verdacht, eine alarmierte Landesregierung hat sich das alles damals als Ersatzhandlung für die radikalen Abspaltungsfantasien der Bürger ausgedacht.)
Und ich propagiere trotzdem den Gesamtabfall.
Ab 2008 wird alles zusammengeschmissen. Und basta.

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Montag, 10. September 2007

Apfeldiät

Viel schlimmer als das überall angeprangerte Passivrauchen ist doch das Passivessen, finde ich, und würde nicht darauf wetten wollen, dass es nicht genau so gesundheitsschädlich wie Tabakdunst ist, wenn grillhähnchenfettgeschwängerte Geruchsschwaden an meiner Nase vorbei durchs Büro wabern. Während man versucht, sich auf seine geistige Arbeit zu konzentrieren, denn dafür wird man schließlich bezahlt, ziehen fleischliche Odeurs aller Art an einem vorbei und verursachen ärgerliches Grollen in der Magengegend. Zum Beispiel Leberkäse. Kennen Sie Leberkäse? Nichts ist schlimmer als der Geruch halbausgekühlten Leberkäses, wenn man nicht gerade selbst dabei ist, etwas davon zu verdrücken, denn dann merkt man nicht, wie sehr dieses Pseudofleisch zum Himmel stinkt. Eine Pestilenz ist das, jawohl. Deswegen werde ich persönlich so etwas nur essen, kurz bevor ich am Verhungern bin und selbst dann nur an Orten, die dafür vorgesehen sind, also am Klo oder am Nordpol.

Der Grund, weshalb ich so schimpfe? Die untermietenden Bürokollegen, genau jene, die an anderer Stelle bereits mit Pavianen aus dem Affenhaus verglichen wurden
( Essen Paviane Leberkäse? ) verwandeln wieder einmal unsere geheiligten Hallen in eine geruchsoffensive Jausenstation. Und ich traue mich nichts dagegen einzuwenden, denn es gilt schließlich als politisch unkorrekt, jemandem das vorzuwerfen was er sich in der Mittagspause reinpfeift.

Ob Curry aus dem Tupper-Napf, Kebab mit extra Zwiebel, Hamburger Royal oder Leberkäse ist schließlich kulturell bedingt und man will keinen diskriminieren indem man sich hinstellt und verlangt, er oder sie möge doch bitte in Zukunft gefälligst geruchslose Astronautennahrung zu sich nehmen, wenn schon am Arbeitsplatz diniert werden muss.

Zugegeben, es liegt nicht ausschließlich an der politischen Korrektheit, die könnte man gegebenfalls bei enstsprechend großem Leidensdruck auch einmal über Bord werfen, aber es gibt da noch so eine Geschichte. Aus der Grundschulzeit. Dort wurde einst ein Mädchen von einem anderen Mädchen garstig verlacht, als nämlich jenes eine Mädchen anstatt des obligatorischen gepflegten Jausenbrotes bloß zwei einzelne, noch dazu stark nach Knoblauch riechende Trockenwürste dabei hatte und in der großen Pause auch noch herzhaft zubiss. Und zwar genau so lange, bis jenes andere Mädchen daher kam um sich lautstark und vor allen anderen aufzupudeln und über die rustikale Art der Nahrungsaufnahme lustig zu machen. Natürlich vor allen anderen, sonst bringt's ja nichts. Daraufhin fühlte sich das eine Mädchen derartig beleidigt und verletzt, dass es die Würste einfach in den Dreck fallen ließ und heulend zur Frau Lehrerin rannte um Trost zu suchen und auch zu finden. Das andere Mädchen hingegen wird noch heute von schweren Schuldgefühlen, ja Alpträumen, ob seiner damaligen Grausamkeit und Intoleranz gebeutelt.

Und trotzdem habe ich sie gründlich satt, diese zahlreicher werdenden enthemmten Mitmenschen, die in geschlossenenen Räumen erst ihre Converse abstreifen, während ihre Handys immer noch origineller klingeln, bevor sie dann beginnen am Telefon sämtliche Privatäten und Schuldenkontostände preiszugeben ohne es überhaupt mitzubekommen und im Anschluss daran stinkendes Zeug in sich hinein stopfen!

Aus lauter Gram darüber habe ich mich bis auf weiteres auf eine Apfeldiät gesetzt. Und das kann ja nun wirklich nicht gesund sein.

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Montag, 21. Mai 2007

Was ich noch sagen wollte:

Mittwoch, 16. Mai 2007

Geheiligt werde die regelmäßige Verdauung..

...mit weichem Stuhlgang in Wurstform, nur leicht riechend und leichtgängig, nur leicht drücken dann muss es leicht rutschen. Und der Urin sollte auch nicht zu dunkelgelb sein. Tuts schon weh? Nun denn: Geheiligt werde die Unwürdigkeit. Mit 40 fühle man sich wie 20, mit 20 so, wie man denkt, sich als 98-jähriger fühlen zu werden. Dass wir uns dabei auch noch möglichst schuldig fühlen, vor uns und unseren Kindern, dafür sorgt das Diktat der Ernährungsberaterin*, diesem schmallippigen, asexuellen und selbstgerecht mit dem zu großen Kopf auf dem zu dürren Hals wie Urmels Freunde aus der Puppenkiste wackelnden Wesen, das seinerseits den Ernährungswissenschaftlern nachpredigt, was diese gerade vorbeten, es handelt sich hier schließlich um Glaube, und der ist heilig! Unantastbar. Keine Frage. Und damit Pasta! Nein, böse. Es muss lauten: Und damit Tofu! Die Dogmen ändert nur Gutt der Ernährer selbst, ungefähr alle fünf Jahre, das Glaubensvolk muss in Bewegung bleiben, sonst kommt es noch auf Gedanken, Gedanken verbrauchen zu wenig Kalorien. Vor allem aber muss der rechte Glaube den noch unwissenden elenden Völkern der Falschfresser und Flachatmer, Bewegungsmängler und Genussmittelverbraucher, die die Befreiung durch Gutt den Ernährer längst schon still herbei gesehnt haben, endlich überbracht werden. Erlöset die Völker, erst normet und dann preiset sie, denn vor Gutt dem Ernährer sind nicht alle gleich, sollen es aber gefälligst bald werden, sonst könnte ja jeder kommen.. Amen!

*ich entwerfe hier meinen persönlichen Prototypen, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind jedoch weder zufällig noch unerwünscht.

Samstag, 3. Februar 2007

Frozen Margarita

Manchmal am frühen Nachmittag bekomme ich heiße Sohlen, wissen Sie, wie Kochplatten. Kochplattfüße. Obwohl ich tagsüber und am Rest des Körpers friere. Am schlimmsten im Frühling und im Herbst. Im Winter dagegen ist es kalt und im Sommer heiß genug um nicht dauernd von innen heraus zu frösteln. Und nachts: Ich schlafe, wenn es die Umstände erfordern, im T-Shirt, meistens erfordern die Umstände das nicht. Sogar wenn ich nackt bin und Winter ist und die Decke ganz dünn, werf' ich sie im Schlaf von mir, denn unter der Decke herrscht die Wüste Gobi um 12:00 Uhr Mittags. Trocken und heiß wie Dünensand.

Der chinesische Heiler aus Oberösterreich meinte: Sie sind eine Heißläuferin, Margarita. Ich hab an meinen letzten Wutanfall denken müssen und, ja, ich weiß eh.
Sie sollten kein Brot essen, bemerkte der Chinese, das weiße Mehl und so. Eierteignudeln auch nicht. Obwohl Eier ohne alles nicht so schlecht sind, roh. Cornflakes? Aber sicher nicht. Es klang direkt verächtlich, wie der Chinese den Satz ausspuckte, als hätte man ihn gerade gebeten Fast Food von Würger King zu essen. Ohne Cornflakes sterb' ich, und das ist deprimierend, hab ich ihn angemault. Mein Widerspruchsgeist, wissen Sie, mit Handzeichen. Hinter meiner Stirn im vorderen Jammerlappen konnte ich sein nervöses Gezappel genau spüren. So schnell stirbt man nicht, entgegnete der Chinese, aber wenn Sie nichts tun um ihren Energiehaushalt auszugleichen, fackeln Sie demnächst noch unser ganzes Haus hier ab. Und sich selbst auch, beeilte er sich zu ergänzen.

Als in der Woche zuvor die Stichflamme plötzlich aus meinem linken Fußknöchel geschossen ist, das hat mir tatsächlich einen Mordsschrecken eingejagt. Im Internet hab ich dann, auf den Tipp des Chinesen hin, der mir die ebenerdige Einliegerwohnung seit einem Jahr vermietete und zu dem ich mich in meinem Schreck mitten in der Nacht und mitsamt meinem unversehrten Knöchel gerettet hab, *Spontane Menschliche Selbstentzündung* gegoogelt. Zunächst bin ich bloß auf South Park gestoßen. Haha, hab ich mir gedacht, und die Kapuze enger um den Kopf gezogen, kein Mensch wird dir das Ding mit der Stichflamme glauben. Aber wenn die von South Park sich darüber lustig machen, muss doch was Wahres dran sein. Ich weiß noch, wie ich den Gedanken mit Rotstift korrigiert hab: Wenn dir persönlich eine Flamme aus dem linken Bein schießt, dann, Margarita, muss was Wahres dran sein.

Ich hab also begonnen hauptsächlich Zeug, ziemlich schleimiges Zeug, das der Chinese empfohlen hat, zu mir zu nehmen. Kalte Getreidebreie mit Dings, zerkochtes Obst, Misosuppen, fischhäckselgefüllte und gedämpfte Reisteigtaschen. Dazu hab ich mich vom Chinesen am Handrücken und im Gesicht stechen lassen und ein wenig Yoga und Autogenes Training für Anfänger versucht. Außerdem hab ich alle seine Bücher über die Fünf Elemente und sogar die als Lesezeichen in den Büchern vergessenen Broschüren zum Thema Granda Wasser gelesen. Die Kur des Chinesen schien zu wirken, denn schon bald hab ich nicht mehr nur tagsüber sondern auch nachts gefroren, was ganz normal für eine Frau wäre und ein Zeichen der Wandlung, wie der Chinese beteuerte. Die heißen Sohlen waren dafür Geschichte. Ich musste Socken im Bett tragen und fand den Winter kalt und den Frühling lau, wie es sich gehört. Auch die Wutanfälle wurden weniger. Woraufhin sich übrigens mein Freund von mir getrennt hat, weil er mein Temperament so vermisste. Wenn er nicht mit kann, ist es wahrscheinlich eh besser er geht, vermutete der Chinese. Stichflammen gab es zu dieser Zeit jedenfalls keine mehr. Ich war überzeugt, dass es sich dabei ohnedies um ein Singulärereignis gehandelt haben muss. Ich meine damit, so was passiert einem nicht alle Tage.

Ein halbes Jahr nachdem Walter gegangen ist bin ich beim Chinesen im oberen Stock eingezogen und wunderte mich erst einmal darüber wie viel Raum ein Mensch ganz für sich beanspruchen kann, wenn er die Möglichkeit dazu bekommt. Wir wohnen wie die Kolonialherrn Herb, hab ich zu ihm gesagt. Wirklich, das hab ich immer wieder betont, weil für mich ist soviel Platz ja nicht nötig, braucht kein Mensch. Seit ich bei ihm lebe, nenn ich den Chinesen Herb, für Herbert. Früher hab ich Herr Herbert zu ihm gesagt. Herr Herbert gefällt mir besser, aber das bring ich bei ihm nicht durch. Es ist unpersönlich sich gegenseitig mit Herr und Frau anzusprechen in einer Beziehung, sagt Herb. Er nennt unser Zusammensein andauernd "Beziehung". Dann eben Herb. Immer noch besser als Herbert, Herr Bert! Ja, wissen Sie, ich red von ihm immer als wär er noch da.

Durchtränkt von Mariendisteltee und Artischockenextrakt hab ich mich mit der Zeit gefühlt, glauben Sie mir, und anstelle des zeitweiligen inneren Fröstelns mit den brennend heißen Füßen und den Hitzwallungen nachts, trat nun ein Äußeres - all over - Gezitter und Zähneklappern. Und es hielt an. Die ganze Zeit. Schütteln. Bibbern. Blaue Lippen.
Also hab ich die Therapie irgendwann mehr oder minder heimlich abgebrochen. Der Chinese, also Herb, wäre gekränkt gewesen, wenn ich, mir nichts dir nichts, einfach aufgegeben hätte. Es war nicht leicht zu verbergen, dass ich keine lauwarmen Misosuppen und Dim Sum mehr gegessen und keine seiner selbst gemachten Teemischungen mehr getrunken habe, oder ihm das Herumgesteche auszureden. Die Akupunktur abzubrechen und Herb glauben zu lassen, dies sei seine Idee, war das schwierigste. Andererseits, als Herb merkte, wie meine Laune sich hob und auch die Temperatur meiner Hände und Füße, da fragte er nicht lang nach, weshalb ich immer häufiger auswärts esse. Im Gegenteil, er sah die Besserung meines Zustandes als Beweis für den Erfolg seiner Therapie, siehst, meinte er immer voll Stolz, hab ich Dir's nicht gesagt, Geduld muss man haben und warten können und dann, siehst, es wirkt, der Ausgleich ist nah. Da konnte ich meinen Schwindel erst recht nicht mehr aufklären.

In diesem Jahr, gerade als ich mich rundum wohl fühlte, hat Herb mich gebeten ihn zu heiraten. Ich hab zugesagt, ich war optimistischer Stimmung und es wurde auch Zeit für ein großes Fest. Besonders großartig wurde das Fest schließlich doch nicht. Aber immerhin, das alte Zirkuszelt meines Großonkels haben wir voll bekommen.

Bald darauf ist es dann passiert. Die Stichflamme. Genau aus der selben Stelle wie letztes Mal. So wie andere Leute immer an der selben Stelle Fieberblasen bekommen, wenn sie sich über etwas arg aufregen oder ärgern. Wir haben nämlich gestritten bevor es geschehen ist. Es hatte mit der Möblierung im Schlafzimmer und Feng Shui zu tun, ich glaube, er wollte den Spiegel draußen im Gang und ich wollte ihn drinnen im Zimmer, oder umgekehrt, genau kann ich das nicht mehr sagen. Ich weiß nur noch, dass ich wütend wurde, und da schoss auch schon Feuer aus meinem Knöchel. Sekunden später ist der ganze Raum in Flammen gestanden und eine halbe Stunde danach war das Haus quasi weg. Und Herb auch. Die haben ihn nie gefunden. Nur ein großes verkohltes Loch, dort wo er zuletzt gestanden hat, in unserem Schlafzimmer. Ich bin raus gerannt und hinunter durch das Treppenhaus den Flammen davon und dachte die ganze Zeit, er wäre dicht hinter mir, aber als ich endlich dazu kam mich umzudrehen, war da keiner.
Die Feuerwehr meinte, unser Beileid Frau Margarita, und, sieht irgendwie nach einer Gasexplosion aus. Komisch fanden die nur, dass es in dem Haus keine Gasleitungen gab.

Freitag, 21. Juli 2006

Bravo Prokop!

73% weniger Zuwanderung seit Jahresbeginn! Jetzt müssen wir nur noch die bereits im Lande befindlichen 45% integrationsunwilligen Moslems ausschaffen, dann wird Österreich endlich zu dem, was es von Rechts wegen längst sein sollte: ein Bergland, in dem Milchkühe die Bevölkerungsmehrheit stellen.

-//-

Mittwoch, 21. Juni 2006

Damit ich euch besser fressen kann!

Reden Sie mit Ihren Kindern während Sie diese großziehen?
Was für eine Frage, werden Sie denken, NATÜRLICH!
Sehen Sie, daher rede ich mit meinen Paradeisern.

Die übrigens gerade in der Pubertät sind: ziemlich grün, feucht hinter den Blattwascheln, missproportioniert und teilweise arg ins Kraut geschossen. Beim Wuchern kann man ihnen förmlich zuschauen, das ist unheimlich. Jeden halben Tag wird eine weitere wilde Zweigstelle eröffnet. Minütlich rieseln die süßen Blütenrestbestände und machen einer neuen grünen Knolle Platz, die erst wie ein kleiner Pickel aussieht, der sich dann auswächst, aber wie!
Und saufen können sie schon wie die Großen, meine kleinen Racker.
Zwei Liter pro Stängel und Tag!
Auf eine Antwort der trotzigen Pflänzchen hofft man natürlich vergebens, aber eine Tomatenmutter liest ihren Lieblingen die Wünsche von der Blattunterseite ab.
Und nur eine Tomatenmutter kann ihre Zöglinge in dieser Phase auch
-w i r k l i c h- lieben.

Abends also, wenn die schrägen Strahlen einfallen, trete ich still und fürsorglich an sie heran, binde sie da und dort zärtlich noch ein wenig fester mit dem Spagat an die hierfür extra angeschafften Bambusstangen, und ja, es kann schon sein, dass es sie nervt, wenn ich ihnen sage:
Schön brav Sonne essen!
Damit ihr groß und stark werdet!
Damit..


paradeiserer


..

Montag, 22. Mai 2006

Bestiarium humanum

Die Blicke bohren durch das operationssaaltürkise Wasser.
Das ist seltsam getrübt, als hätte man mit dem letzten Regen Alpenkuhmilch aus dem fernen Europa hineingewaschen, was nicht abwegig wäre bei all den Milchseen dort im Winterwunderland. Soviel von dem weissen Zeug kann kein Schwein saufen, dass wir es anderswie loswerden. Könnte man es bloß auf die Schipisten kippen und es als Schnee verhökern. Könnte man bloß Milchpulver daraus machen, für die die an dem komischen Gewässer hier leben. Aber das ruiniert nur die Preise.
Mach dir nichts vor.

Die Fische sind zu zweit, beachtliche Kaliber, metallischer Schuppenpanzer, faustgroß und glasig die Augen. Nennen wir sie Bogo und Bernd, damit wir uns ihnen menschlich näher fühlen. Ansonsten sind die beiden allein in dem sterilen Loch, das so groß ist wie ein ganzes Land, und in dem sie leben seit sie denken können. Leben also eigentlich nicht, werden jene einwenden, die spitzfindig sein wollen. Aber existieren. Die Augen von Bogo und Bernd suchen, doch die Leere des Sees setzt dem Suchen nichts entgegen. Nichts an dem sich die Blicke reiben, einhaken, anhängen, dem sie nachjagen können. Die Fischaugen rutschen aus an der Glätte dieser Unterwasserwelt, wie seifige Füße in einer emaillierten Badewanne.
Das Licht, es ist ihm ein leichtes, dringt bis auf den Grund, der auch knochenbleicher Sandstrand sein könnte, gesehen im Suff durch schlieriges Brillenglas, platt und auf weiten Teilen unbewachsen, wie geharkt oder gerecht.
Gerecht ist das nicht. Denn der Hunger treibt die beiden bekiemten Kolosse an, sie kreuzen und queren unterwasser schon den ganzen Tag, die halbe Nacht.
Nichts kommt ihnen vors Maul. Nichts kann sich verbergen im Schlinggras und Schlick und nichts aufgestöbert werden.
Eine dumpfe Erinnerung siedelt an den paar Nerven der Fische und zerrt daran, das Wissen, dass da wo jetzt nichts Vernünftiges wächst, es einst wimmelnd lebte. Fressbares allenthalben. Auf Bogo und Bernds Fischnetzhaut hat sich dieses Bild nie gespiegelt, von viel früher muss also die Erinnerung an den Garten Eden herrühren, eintätowiert in Stammzellen oder Gene. Aus einer Zeit, da das Wasser noch kein aufgestauter See, sondern im Fluß war. Ein Mahlstrom. Aus der Zeit, bevor man einige von ihnen aus diesem bewegten Strom geholt und hier eingesetzt hat, in das gigantische Aquarium.

In Wahrheit nämlich fressen die Fischkolosse seit langem schon, Kannibalen gleich, den eigenen Nachwuchs oder die Überbleibsel von ihresgleichen, Gekröse das ihnen zugeworfen wird aus der Oberwelt. Doch auch das wird weniger, bleibt aus, weil jene Menschen rund um den See beginnen das Geschmier selbst zu verschlingen. Was anderes ist nicht mehr zu haben für die dort in der Oberwelt. Das andere verkaufen sie ins nördliche Wunderland. Denn das Geld, dessen sie habhaft werden können auf diese Weise, ist mehr wert.
Das ist nicht zynisch, es ist was es ist, sagt der Markt. Mehrwert, du verstehst. Mehr als der Fisch, mehr aber auch als das Fleisch. Und das Blut. Gewiss mehr als diese Frau dort, die auf den Strich geht, oder jenes Kind, das auf der Straße lebt und auch auf den Strich geht, mehr auch als der Mann, der nicht nur sich selbst vergiftet. Gier frisst Hirn. Sag es nur keinem, man wird dich sonst bezichtigen der Mainstreamsentimentalität.
Schau lieber hin: Jetzt halten die beiden Fische still im Wasser. Ein schönes hypnotisches Schweben. Man kann den Blick nicht abwenden. Das Schweben der Fische, wie es unsere aufgebrachten Nerven beruhigt. Bogo und Bernd spüren das Näherkommen des schlürfenden Geräuschs. Schon wieder. Deswegen halten sie still.
Fließend auswendig kennen sie den Ton, wie ein Trinker das Gluckern in der Flasche. Bogo und Bernd verharren nebeneinander eine Weile auf der Stelle, sanft auf- und abgetragen nur von der leeren Dünung. Du könntest ihnen zuschauen bis in den Traum hinein, mitschwimmen würdest du gerne. Da beginnt jeder von ihnen sich in horizontalen Kreisen zu drehen, um sich selbst, gegenläufug, einmal, zweimal. Anmutig drehen sie sich, als wäre dies ein Tanz hinter dem Wasserschleier. Lass dich nicht täuschen.

Nichts ist auszumachen als diese trübe Ödnis der Unterwelt und oben ein blasser Scheinwerfer, fade wabernd. Erst Minuten später und ganz im Verschwommenen beginnt sich etwas abzuzeichnen, die türkise Flächigkeit durchschneidend. In vielen unscharfen Linien senkrecht und waagrecht konterkariert es die Wasserfarbe: Das Netz.

Ja, Pech, der rechte der beiden Fischkolosse, Bogo, nur zufällig auch der größere, reagiert schneller. Nicht dass er abhaut. Er scheint längst zu wissen, dass das nichts mehr bringt.

Gelassen fast reisst er sein Maul auf, gespickt, voll mit Hundszähnen, renkt sich die Kiefer nahezu aus dabei. Er gräbt die Nadelspitzen in die Seite seines Begleiters und fetzt mit einem Ruck, der sagen will, sorry mann, ein Stück aus dessen Fleisch. Rosiges, jetzt leider unschön zerfranstes. So würden die in Europa das nicht haben wollen. Reklamationen würde es geben bei so einer Sauerei.

Bogo schluckt einen Teil seines Gefährten, der jetzt zur Seite gekippt ist, hilflos flösselnd. Er haut ein zweites Mal seine Zähne in Bernds Fleisch und wieder und wieder. Gleich leckt er sich die Lippen, denkst du dir. Seine Henkersmalzeit will er genießen, frisst alles auf. Geschickt und geschwind. Sogar das Gerippe, bevor er denen da oben zu guter Letzt ins Netz schwimmt.
Nur einen sollen sie heimbringen in den Hafen diesmal, einen mit blutigem Maul und prallem Bauch, den letzten für lange.


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Dienstag, 25. April 2006

402

hintenhinaus mit blick auf die geleise die nie genau sagen können, ob sie in diese richtung kommen und in jene gehen oder umgekehrt, das hängt nicht von den geleisen ab sondern vom zug der auf den strängen fährt, die immer doppelt sind mit querverbindenden schwellen, wie doppelhelix. aber in wahrheit auch nicht vom zug sondern vom fahrplan und das hat beinahe etwas metaphysisches, nicht wahr?
402 hat den charme eines zimmers mit blick auf den bahnhof.
bedeutet der bahnhof etwas in diesem metaphysischen baukasten?
und was die weichen, wenn?

sauber ist 402, nicht nur sauber sondern rein, denkt man beim betreten der schmutzabweisenden auslegeware in wahrhaftig gemustertem graublau das keinem was vormacht. aufs bett legt man sich in 402 weil was anderes geht nicht, auch nicht wenn man sitzen oder gehen will, außer man geht auf dem bett. das geht. aufs einfache bett legt man sich oder aufs zweifache, 402 hat ein zweifaches. allein, einzeln legt man sich oder zu zweit, zu dritt vielleicht die waghalsigen, deren seelenheil schon an exponierten stellen dem böwind ausgesetzt war, das also zausen gewöhnt ist und gerangel. daher der mut. anstelle des schranks ein verschlag bloß, in dem keiner sich bergen kann, alles ganz offen, so wie geheimnisse auch ganz offen am besten sich verschanzen.

muss sagen, dass kakerlaken eine ganz eigentümliche art haben sich zu vermehren. die männerkakerlake sticht mit den stachel, dem fortpflanzungsorgan, irgendwo ganz beliebig in den leib der frauenkakerlake, penetriert, perforiert durch den rücken oder die seite, ganz egal wo, durch die chitinhülle, einfach so. über die blutbahn der kakerlakenfrau geraten die injizierten spermatozoen an den richtigen ort, dort, wo die eier sich befinden.
nicht genug davon, die männerkakerlaken perforieren andere männchen, sich also gegenseitig, impfen samen in der begründeten hoffnung eigene spore gerät über dessen andere blutbahn an die rechte stelle und wenn jenes andere männchen sich schließlich paart, ein weibchen sticht, dann bingo. kuckucksei.
so entstehen die kleinen babykakerlaken.

402 ist belegt von zweien, schönes menschenpaar.
ein blatt, bitte nicht stören, do not disturb, klemmt am türknauf, abgeblättert aufgerieben, aussen.
im finstern erwacht ist die herde kakerlaken, längst schon ansässig in den sauberen ritzen zwischen bettstatt und auslegeware, von dem lärm der zwei warmen leiber unter der decke. brünftig ziehen die kakerlaken dem geräusch und dem duft hinterher über die kalten wände in die flutende wärme der laken, stechen dann zu, wahllos. wie gummi fast, und nachgiebig ist die hülle der blutwarmen wälzenden wesen, leichter zu durchbohren als die panzer ringsum.

das schöne paar wird sich beklagen, tags darauf, über die stiche, von flöhen oder wanzen gar, es brennt! der manager wird sich entschuldigen, wortreich, entschädigung anbieten, überprüfung geloben und sogar besserung, der traut sich was. untröstlich. eine entschädigung wird es nicht geben. allerdings
was später geboren wird, weiß er noch nicht.

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Donnerstag, 24. November 2005

Ausfahrt Mausefalle

Die lehmigen Klattern an den Laken sahen aus, als hätte man mit Scheiße danach geworfen. Bis gestern hatte es ununterbrochen geschüttet,
tagelang, deswegen war der Boden zu einer nachgiebigen Masse geworden
in der man wankte, wie ein betrunkener Seemann. Dabei trank Martha nie.

Seufzend klaubte sie die beschmutzen Leintücher von der Nylonschnur, die zwischen den beiden Pfeilern an der schmalen Stirnseite des Hauses zweifach gespannt war und schaute dabei voller Kummer in die verwüstete Gartenfläche hinaus. Kegelbahn, hatten die Nachbarn früher oft spöttisch dazu gesagt, weil es ein so langer schmaler Streifen war.
Die ganze weiße Wäsche.., dachte sie, ...muss ich alles noch einmal machen, und seufzte hörbar. Das Seufzen hatte sie sich angewöhnt, seit es im Haus so still geworden – seit Walter gestorben war.

Martha war eine der letzten, die ihre Wäsche an der Luft von Sonne und Wind trocknen ließ. Sie mochte das Flattern und Bauschen vor ihrem Fenster und der Duft, der in den Fasern hängen blieb, erinnerte sie an ihren Mann, an seine frischen Hemden, an denen sie so gern geschnuppert hatte, wenn er sie, selten genug, umarmt hatte. Walter pflegte eine besondere Art, einen festzuhalten,
mit dem linken Arm umschlang er ihren Hals, als wollte er sie gleich in den Schwitzkasten nehmen, mit dem rechten umfasste er ihren Rücken. Man fühlte sich sicher in dieser Umarmung. Sie sehnte sich danach. Walter fehlte.

Wie die Wilden waren sie wieder durch Marthas Garten gerauscht auf ihren
BMX-Rädern. An dem ersten sonnigen Nachmittag seit langem. Wie die Wilden, und hatten dabei ihren Rasen umgepflügt, als wär’s ein Kartoffelacker.
Mit spritzenden Reifen waren sie über das Gras geflogen und hatten sich gefreut an den klaffenden Spuren und entwurzelten Soden, die sie hinterließen, voll in Fahrt einen Blick zurück über die Schultern gewagt, hastig, um nicht in die Hecke an der Grenze zum nächsten Grundstück zu rauschen, und sich gefreut. Wie ihr zu Fleiß hatten sie die paar Bremsmanöver geübt, als sie da den kurzen steilen Abschuss herunterstürzt kamen, der das Nachbargrundstück rechts von dem ihren trennte, und so den Dreck auf ihre Laken geschleudert. Martha hatte sie beobachtet, versteckt hinter den Gardinen.
Einen der Buben hatte sie erkannt, schon neulich, als sie der Horde genauso aufgelauert hatte wie heute. Hatte ihn erkannt und dann dessen Mutter angerufen, um sich zu beklagen bei der, dass ihr andauernd tiefe Furchen in den Rasen gerissen wurden von der auf Stollenreifen daherpflügenden Bande und dass ihr Sohn auch einer von denen wäre, auch einer von den Wilden.
Der Junge, vierzehn gewiss, oder schon älter, schon weit zu groß für diese Art von Unfug, fand sie, der hatte es ihr sicher heimzahlen wollen heute, weil sie ihn verpfiffen hatte.

Martha seufzte während sie den Wäschekorb voll dreckigem Bettzeug zurück ins Haus und hinunter in die Waschküche trug, wo die Maschine derweil noch mit einer anderen Portion beschäftigt war. Mit einem Kessel Buntes. Tief und gleichförmig brummend drehte und wendete die Maschine die Textilien in ihrem Bauch, als wäre dies ein Verdauungsvorgang. Das hatte etwas beruhigendes an sich, fand Martha. Mit unterdrücktem Ächzen lud sie den Korb auf den Stuhl ab, der vor der Waschmaschine ein wenig verlegen herumstand. Ein Verirrter im Wald. Soviel nasses Zeug, dachte Martha, dafür wird die kurze Leine nicht ausreichen. Hoffentlich hält bloß das Wetter.

Sie stieg die Treppen wieder hinauf, so mühsam schon. So langsam.
Früher wäre sie hinauf gesprungen ohne auch nur in eiligeren Atem zu kommen.

Im Garten angekommen, zog sie sich ihre von Erde schorfigen Gummistiefel über, begann die bunten Kluppen abzusammeln von der Leine wie reifes Obst um dann die doppelt gespannte Schnur an deren einem Ende zu lösen.
Zwei-, drei-, viermal war die um den linken Pfeiler gewickelt. Ewig lang schon hatte sie das nicht mehr getan. Zuletzt als noch die Kinder im Haus waren, als es noch viel zu waschen gab, zwanzig Jahre musste das her sein.
Wie waren damals an den Waschtagen die bunten Kleidchen und kurzen Hosen ihrer Töchter, Walters Hemden, im Wind gehüpft.
Der ganze Garten war ein frohes bewegtes Bild gewesen.
Und jetzt?

Langsam, das ausgefranste Ende der Nylonschnur fest in der Hand, wie einen Ariadnefaden, wankte sie durchs morastige Grün, die Ackerfurchen der Radrennfahrer querend, hin zu dem einsamen Pfeiler, den Walter ihr damals dort drüben eingegraben hatte und der jetzt da stand, am anderen Ende des Gartens, wie ein merkwürdiger vergessener Totempfahl aus Beton, die kleinen abgewinkelten Ärmchen aus Eisen zum Einhängen der Schnur verschreckt erhoben. Drei-, vier-, fünfmal wickelte sie die Leine um den Pfeiler und zurrte sie fest an den Ärmchen, verknotete sie doppelt. Sie wusste, dass ihre Hände schwächer geworden waren, sie traute ihnen nicht, sie wollte die Laken bestimmt kein drittes Mal waschen, nur weil sie die Schnur nicht mehr recht zu spannen vermochte.

Manchmal hatte das Gelächter der Buben Martha aus der plüschweichen Polstergarnitur, in der sie nachmittags oft über Stunden versank, gescheucht. Doch bis sie sich unter Mühen daraus hoch gerappelt und es hin zum Fenster geschafft hatte, waren die Jungs auf ihren BMX-Rädern längst woanders. Deswegen hatte sie damit begonnen, sie regelrecht abzupassen, nachmittags, meist zwischen vier und fünf. Da machten sie ihre Ausflüge, oder auch abends, wenn es bereits dämmerte.

Die Augen mit den Händen vor der tiefer rutschenden Nachmittagssonne schützend, ließ Martha den Blick noch einmal über das Grundstück streichen, die stramm wie die Sehne eines Bogens gespannte Wäscheleine entlang, die jetzt zu ihrer Zufriedenheit die ganze Länge des Grundstücks ausmaß. Sie blinzelte über die Beete voller Dahlien, die zum Glück nichts abgekriegt hatten und hin zum Haus, das von hier aus gar so schmächtig, beinahe winzig wirkte. Darin hatten sie es gut gehabt, sie und ihre Familie. Als Walter noch lebte. Da hätten die Buben sich auch nicht getraut, so durch die Vorstadtsiedlung zu toben, wie sie es heute taten. Er hätte die Kinder ordentlich gespaukt, wie man so schön sagte. Den Rasen, gut, den würde sie wieder hinbekommen, dachte sie, und spazierte langsam wieder zurück zum Haus. Sie wischte sich die Hände mit einer ihrer typischen Bewegung an der Kittelschürze ab, die einzelnen feinen spinnwebartigen Haare aus dem Gesicht, und zog die Gummistiefel von ihren Füßen. Dann schleppte sie sich zurück durchs Haus hinunter in die Waschküche, wo sie den Korb auf dem gekachelten Boden abstellte um sich selber auf den Stuhl zu setzen. Martha hatte es sich angewöhnt, die Waschmaschine zu beobachten, während sie lief. Ein wenig aus Sorge vor irgend einem Wasserschaden. Vor allem aber, weil sie das gerne sah: wie die Kleider langsam dunkel wurden, wenn das Wasser sie tränkte und einweichte, das Umwälzen der Wäsche, die Farbspiele in dem Bullauge, die Schaumblasen. Sie mochte das beruhigende Geräusch und die dampfige Wärme der Waschküche. Nicht selten schlief sie über ihren Beobachtungen ein und auch das mochte sie. Denn guter langer Schlaf war ein selten gewordener Gast in der Nacht.

Sie erwachte, nein, sie schreckte auf, durch eine Hand die sich von hinten auf ihre Schulter legte. Beinahe wäre sie vom Stuhl gefallen, vor Schreck. Die Waschmaschine hatte wohl längst abgestellt.

Ob sie es nicht mitbekommen hätte, fragte der Polizist, der sie so sanft wie möglich geweckt hatte und nun hinter ihr stand.
Die Zeit fühlte sich für Martha an, als müsste es bereits dunkel sein draußen.

Nein, nichts hat sie mitbekommen, tief hatte sie geschlafen, endlich wieder einmal, geschlafen vor ihrer Waschmaschine. Unangenehm war es ihr, dass man sie da so vorgefunden hatte. Womöglich mit auf die Brust gesunkenem Kopf, mit offenem Mund, womöglich schnarchend. Künftig würde sie die Tür zum Garten hin abschließen müssen, dachte sie bei sich.

Nein, sie hat es nicht mitbekommen, wie sich das fröhliche, vielleicht auch hämische Lachen der Buben dem Haus, ihrem Grundstück über den kurzen Abhang herunter näherte, sie hat das Spritzen der Erde und das Scheuern der Stollenreifen nicht mitbekommen, wie sollte sie auch, hier in ihrem Keller.
Sie hat nicht mitbekommen, wie das Lachen und Glucksen und Scharren plötzlich erstarb weil die Falle zuschnappte.

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Zuletzt aktualisiert: 12. Feb, 19:05

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