Wenn man aus dem gegenseitigen Hassen Ernergie gewinnen könnte, wäre die Welt eine Sorge los.
Nachtbriefkasten - 13. Jul, 14:02
Es drängt mich das loszuwerden wie einen der Fliederblüte anrüchig gewordenen Niesreiz: Nichts geht mir umfassender auf den Zeiger als
Menschen, die nicht wissen was sie wollen.
Sie sind mir in einem Maße unangenehm, das ist längst bedenklich. Ungesund. Für mich. Magenpickel wachsen. Haupthaar ergraut. Mein linkes Augenlid zuckt sogar, ich habe es heute morgen mit dem rechten Auge eigenäugig gesehen.
Die nicht wissen was sie tun sollen, mit zwei Worten: die nerven.
Woran liegt es dass, während alle Demografen sich über die leise drohende weil schleichende Selbstausmerzung des Menschen kassandrisch beklagen, die Gattung derer, die nicht wissen was sie tun sollen, sich um so plagenhafter ausbreitet? Oder hat das gar einen ursächlichen Zusammenhang? Beinahe scheint mir. Logisch wäre es. Der ewig Zaudernde pflanzt sich zwar nicht, weder fort noch hinan.
Vielmehr -pflanzt- er sich und das Leben selbst.
Pandemische Vermehrung der Unschlüssigkeit in allen Belangen.
Verstehen sie mich nicht falsch, bestimmt soll jeder seinen eigenen Entwurf leben können dürfen sollen. (Der Druck und der daraus für die Bedrückten resultierende Rechtfertigungszwang z.B. auf kinderlose Frauen, wie er heute zu spüren ist, ist mehr als unangenehm, tendiert er doch zualledem stark ins ideologische.) Das Aussterben ist schließlich nur ein Symptom von vielen, das mir aus dem allgemeinen Zaudertum zu erwachsen scheint.
Aber, Frage: Ist kein Entwurf auch ein Entwurf?
Mangelt es mir bloß an Toleranz und Einsicht? Denn sie machen mich krank, diese Wackler in eigener Sache. Die nichts dabei finden, andere in ihre Entschlussfreudlosigkeit hineinzuziehen: soll ich oder soll ich nicht dies Fach hier studieren, vielleicht gäb's doch interessanteres, womöglich erscheint mir in 45 Jahren was ganz Anderes brauchbar, soll ich oder soll ich nicht dich lieben und ehren bis der Überdruss uns scheidet, vielleicht könnte ich 345.711 andere lieben und ehren, und besser, viel besser als dich, sieh das doch ein, die ärmsten, müssen so auf meine einzigartige Liebe verzichten. Ach. Soll ich hier oder dort mich niederlassen, mir fehlt doch noch so viel zum Glück, deswegen pack ich auch nicht den kleinen Zipfel an, der sich mir darbietet, vielleicht, mag sein, der Zipfel eines ganzen unter der spiegelnden Oberfläche gelegenen Glücksberges, aber, wer weiß das schon, kann man das je wissen, vielleicht ist es doch nur der Zipfel eines Taschentuches, zum Weinen...
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Nachtbriefkasten - 13. Jul, 11:17
Ich plädiere für
das Schließen
der Toilettentür.
Nachtbriefkasten - 11. Jul, 15:54
- Man soll nicht alles glauben, was man denkt.
- Sicherheit ist das Kennzeichen des Tölpels .
- Ich werde immer als Wiederholung weiterleben.
- Gut hören kann ich schlecht. Schlecht sehen kann ich gut.
- Wir glauben was wir sehen. Leider. Denn wir sehen nicht so gut wie wir glauben.
Nachtbriefkasten - 11. Jul, 12:34
Das ist ein Zitat. Und eine Frage, der ich mich anschließe. Ehrlich, da geben wir (die Frauen) die Hälfte unseres prekären Halbtagsjoblohnes für teure Kosmetika aus, die die tiefen und tieferen Mimikfalten in den Gesichtern wegbügeln sollen, was die teuren Kosmetika natürlich nicht zu leisten im Stande sind, und dann zupfen wir (die Frauen) uns zwei fasthorizontale strichdünne harte schwarze oder sonstwiefarbene Linien quer ins Gesicht. Manchmal, was noch schauderbarer ist, sind es auch Bögen, wie dürre Torbögen, wie zwei halbe Os, also ein halbiertes. Die liegen dann da, auf dem offenen Bauch, über unseren Augen und schauen dumm. Denn wie anders sollen zwei halbe Os denn auch schauen. Oh!
Nein, ich komme nicht direkt von der "Breschnews Brauen Fraktion", auch nicht von der "Meine-Schuhbürste-gehört-mir-Initiative".
Aber auch: Nein, ich rupfe mir nicht die Hälfte oder zwei Drittel oder gar das gesamte des Brauenhaars aus. Ich zupfe weg, was mir andernfalls das Aussehen einer übernächtigen Schleiereule verleihen könnte. Nicht mehr, nicht weniger. Das "wir" benutze ich hier aus diplomatischen Gründen, was wieder einmal typisch ist. Typisch was? Typisch Frau, genau!
Aber zurück zu meinem Anliegen: den Anschein von Naturwuchs weckende Brauen sind schlichtweg ästhetischer als schwarze, rotbraune, orange, wie die Karrikatur von Sorgenfalten daherkommende Querstriche. Oder auch Bögen. Um den Anschein von Naturwuchs zu wecken, sind wegen meiner auch gerne alle Tricks erlaubt.
Aber welche Tricks sind es Wert, den Anschein clownesker Fehlgeleitetheit zu erwecken? Auch ungekonnt mit Pinsel, Kohlkajal oder Fettstift nachgemalte Brauen jedweder Strichstärke eignen sich vielmehr dazu uns (die Frauen) lächerlich zu machen als schön, also bitte, tun wir das nicht!
Obwohl ich mich noch nie in die mysteriösen Hallen eines Kosmetiksalons begeben habe und auch nie werde, würde ich trotzdem gerne wissen: reden uns die Kosmetikerinnen das ein? Es wäre einleuchtend, denn für das Verstümmeln von Brauen kann man sicher einiges berechnen, die teuren Kosmetika kaufen wir
so oder so.
Frauen sind immer schon das in beliebige, wenn auch noch so skurrile Form bringbare Geschlecht gewesen. Ob Schulter- und Arschkissen, Wespentaille, Turmfrisur, Lotusblütenfuß oder Giraffenhals. (Und schlimmeres, wovon ich hier gar nicht sprechen will.) Keine Ahnung, warum das so ist. Wahrscheinlich hat es etwas mit Macht zu tun und damit, uns (die Frauen) mit unseren sperrigen An- und Aufbauten am hurtigen Davonrennen zu hindern. Es wird seinen Grund dafür gegeben haben. (Dass wir wegrennen wollten, meine ich.)
Doch heute? Diese gerupften Augenbrauen, die hindern uns doch nicht am Wegrennen, die SIND zum Wegrennen.
Wen wollen wir damit in die Flucht schlagen und wenn nicht, warum rupfen wir dann? Liegt dem womöglich gar der Zwang des vereinsamten Papageis zu Grunde? Nein, das geht nun aber zu weit.
Gar nicht so wenige lassen sich übrigens Querlinien oder Bögen anstatt der Brauen und an der Oberlippe sogar eintätowieren. Für immer und ewig. Oder jedenfalls für eine ganze Weile. Vom Aspekt des Wagemutes her gesehen, alle Achtung!
Apropos Oberlippe: demnächst muss ich jemanden, der es vielleicht wissen könnte, fragen, wer die Frauen auf die Idee gebracht hat, es schön zu finden, ein aufgepumptes Plastikschlauchboot statt Lippen im Gesicht zu tragen.
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Nachtbriefkasten - 9. Jul, 13:51
Die Dächsin sprach zum Dachsen:
Mann, bist Du gut gewachsen.
Die Nasenbärin sprach zum Bären:
Ich will Dich jetzt was schönes lehren.
[ebender]
Nachtbriefkasten - 4. Jul, 17:08
Lieber Gott
nimm es hin,
dass ich was besondres bin!
Und gib ruhig einmal zu,
dass ich klüger bin als Du!
Preise künftig meinen Namen,
denn sonst setzt es etwas!
Amen.
[Robert Gernhardt]
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Nachtbriefkasten - 4. Jul, 16:50
Heutzutage heissen Kinder Kids und haben eine Peer Group.
Hat mit Bier nichts zu tun. Die Peer Group besteht idealerweise aus ebensolchen Kids wie den eigenen, die in der ähnlichen Liga spielen, wenn’s leicht geht.
Die Peer Group dieses Kindes hieß Frau Felsberger, trug bei Regen wie bei Sonnenschein schwarze Gummistiefel, vorzugsweise in gedeckten Blautönen gehaltene Kittelschürzen, dazu Kopftuch mit darunterliegendem Haarknoten. Klassisch grau war der. Die Alte konnte einem Archetypenkatalog entstiegen sein, aber das wusste das Kind damals noch nicht und es wäre ihm auch gleich gewesen. Kopftuch war zu der Zeit weder verpönt noch verboten, im Gegenteil. Die Frauen trugen es bunt und wild gemustert, als einzige kleine Freiheit, die sie sich an ihrer Alltagstracht gestatteten, und knöpften es ganz im Rumänische-Bäuerinnen-Stil hinten im Nacken.
Dieser Look galt bei den älteren und noch nicht so alten Frauen der Gegend als angemessen und bedeutete, stets den Umständen entsprechend gekleidet zu sein.
Frau Felsberger und das Kind wurden Freundinnen, wie von selbst.
Es war klar, sie spielten in der gleichen Liga, ohne sich darüber lang oder breit austauschen zu müssen. Sie teilten die Interessen und Frau Felsberger vor allem ihr Honigbrot mit dem Kind, jedesmal wenn dieses sie in ihrem kleinen Garten besuchte. Dort saß sie dann auf der verwitterten Holzbank hinter dem bemoosten Holztisch, in ihrem Rücken die übereinandergestapelten Kaninchenställe, in denen ihrerseits die schwarzweissgescheckten Tiere hockten. Eine der gemeinsamen Interessen war, den Kaninchen dabei zuzusehen, wie sie fett wurden. Das Motiv der beiden hierfür dürfte durchaus unterschiedlich gewesen sein. Man machte darüber nicht viel Worte. Das Kind erstaunten die unterschiedlichen Geräusche die entstanden, je nachdem ob Löwenzahnblätter oder frisch gezupfte Möhren verfüttert wurden, nicht genug konnte es bekommen davon, den Bewegungen der Kaninchenschnauzen zu folgen. Frau Felsberger hingegen konnte nicht genug davon bekommen, dem Kind dabei zuzuschauen, wie es sein Honigbrot aufaß.
Mit dem Honig hatte es etwas besonderes auf sich, er war selbstgemacht. Jeder Honig ist das natürlich, in erster Linie von den Bienen. Aber dieser hier war auch eigenhändig geschleudert, von Frau Felsberger.
Und das Brot, auf das Frau Felsberger den Honig schmierte, nicht ohne eine dicke Schicht gelber Butter darunterzulegen, das Brot war himmlisch. Es war die Scheibe Brot, die den Honig ausmachte. Kein Backmischungsmist, wie man ihn in Supermärkten als Kärntnerbrot verhökert, nur dunkler würziger Teig, mit noch dunklerer harter Kruste rundherum. Im Ganzen hatte der Laib gute vierzig Zentimeter Durchmesser.
Das Kind schaute Frau Felsberger zu, wie die gemächlich eine Scheibe davon abschnitt, das gehörte zu ihrem freundschaftlichen Honigbrotritual. Manche alten Frauen können das noch: sie klemmen den halbierten Laib in die Ellenbeuge und schneiden mit dem Messer in einem einzigen wohlgerundeten Zug das ganze Stück ab. Perfekt fingerdick und ohne einen Schnitzer der danebengegangen wäre. Dann bestrich Frau Felsberger das Brot um es zuletzt in zwei gleich große Hälften zu teilen. Alles geschah in honiggleicher Langsamkeit. Um die alte Frau und das Kind spannte sich eine Blase Zeitlosigkeit.
Zwanzig Zentimeter Honigbrot für das Kind. Und es vertilgte stets alles bis zum letzten Krümel, wiewohl es sonst kaum etwas herunterbrachte tagaus und ein, und die Mutter schon verzweifeln wollte ob der dürren Vogelbeine des Balgs. Es aß das Honigbrot von Frau Felsberger so: zuerst wurde der weiche Teig mit der dicken Honigbutterschicht aus der Mitte der Schnitte genagt. Von Innen nach aussen fraß es sich durch, wie ins Schlaraffenland. Dafür benötigte es zwanzig genussvolle ungestörte Minuten. Frau Felsberger und das Kind sprachen nicht, sondern aßen nur und lächelten sich an, hie und da . Danach hatte das Kind nur noch das allerbeste, aufgehoben bis zum Schluss, auf seinem Jausenbrett: Die vom Honig angesüßte harte Brotkruste. Die verspeiste es zuletzt. Frau Felsberger mochte das.
Selber schnitt sie sich die Hälfte ihres Honigbrotes in lauter rechtwinkelige feinsäuberliche Teilchen um die nach und nach in einer gezierten Art zu essen, die gar nicht zu ihrem Aufzug passte. Das mochte das Kind.
So sahen sie sich gegenseitig zu. Und redeten nichts.
Frau Felsberger tat aber noch etwas anderes, mit der ihr eigenen peniblen Pünktlichkeit, bis das Kind beinahe schon erwachsen war und das Weite suchte. Sie schenkte ihm wöchentlich die Jugendbeilage ihrer Tageszeitung, und versüßte dem Kind so nicht nur das Essen sondern auch das Lesen. Die Beilage der Zeitung hieß Dingi und erst viel später erfuhr das Kind, was ein Dingi ist. Frau Felsberger machte nie viel Worte. Und das Kind dachte deswegen für lange Zeit, und das schien ihm durchaus einleuchtend, ein Dingi sei einfach nur ein kleines Ding.
Als das Kind später, als Erwachsene, den Allervordersten eines Liebhabers einmal zärtlich Dingi nannte (und dabei kurz an Honig und Frau Felsberger denken musste) war der fortan sehr stolz auf sein Beiboot.
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Nachtbriefkasten - 27. Jun, 19:01
beim Versuch zur Kaffeetasse durchzukommen.
Hommage an Caspar David Friedrich.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Caspar_David_Friedrich_006.jpg
Nachtbriefkasten - 27. Jun, 12:22