Donnerstag, 16. November 2006

Essen reloaded

Mittlerweile weiss man ja, weshalb der Großvater diese rüpelhafte Art hat, seine Suppe zu schaufeln. Er fürchtet, die Russen könnten jederzeit wiederkommen um das ganze schöne fettige 50er-Jahre Essen abzufassen. Doch was weiss schon eine Halbstarke mit zwölf. Was ahnt die von Opas Hunger. Mutter hingegen schlürft mit Hingabe und in einem einzigen mächtigen Zug den Hesperidenessig aus der Salatschüssel, nachdem das Grünzeug darin ertränkt und aufgegessen ist. Davon bekommt man Würmer, ekeln sich die Tanten, die lieber Knochen knacken, Suppenknochen. Sie legen das Mark frei, gebrochenweiss zittert es dann, als ob es friere oder wie in Todesangt, auf dem vom vielen Abwaschwasser gespalteten Holzbrett. Gegessen wird es mit Salz und Peffer und Lust.
Wenn es sich gar nicht anders ausgeht, wird statt des ganzen Schweinekopfes zu Silvester nur die Schweinsnase, der Rüssel, gekocht, in Würfel geschnitten und kurz nach Mitternacht verspeist. Das soll Glück bringen, hat mit Hunger nichts zu tun. Die Nasenlöcher eines gekochten Schweinskopfs fühlen sich unwiderstehlich an, das Grausen wohnt wo anders. In zu Tode gedünstetem Kraut mit Kümmel oder in Eiernockerln wie Gummibälle. In der Haut, die auf wiederabgekühlter Milch schwimmt und einem beim arglosen Trinken an den Lippen kleben bleibt. Im Salat mit den fingerdicken Wurstscheiben, mit Zwiebeln und Öl. Hinter dem Grausen lauert das Erbrechen. Es lauert, traut sich gleichwohl nur selten heraus. Zu stark, zu wenig zurückhaltend, fürchtet es, sei die Aussage, die sich sonst in manifester Form über den Küchen-PVC ergießen würde. Man will sich nicht in den Vordergund spielen, nicht zu sehr. Man quält seinen Besitzer mit Brechreiz, nur ein wenig, als würde einem jemand fortwährend hinterrücks auf die Schulter tippen und säuseln:
Du, Du ich bin da, da, gleich hinter Dir, gib acht, wenn Du nicht aufpasst, aber dann..

..

Dienstag, 14. November 2006

Spurenelemente

Im Hamburger Bahnhof in Berlin stehen und Felix Gonzalez-Torres sehen zum Beispiel, ist ein lebensnotwendiges Spurenelement.

Samstag, 21. Oktober 2006

Knospenmotten

-Die Arbeit der Nacht-
Wenn sie im Finstern erwachte,
Schwärze ringsum und über ihrem Kopf der schwebende rote Punkt, das ewige Licht, mit einem Piktrogrammweibchen in seinem Zentrum, erinnerte sie sich an ihre zweitliebste Vorstellung von damals:

Zurückgelassen, eingeschlossen in ein Warenhaus, über Nacht oder besser noch über zwei Tage und Nächte, das ganze Wochenende lang, schwelgte sie begierig in all den Dingen, von denen sie annahm, sie zu besitzen bedeute pure Glückseligkeit. In der verbesserten Version, "Zurückgeblieben.1.02", wurde das Wochenende zu Monaten und Jahren, bis sie schließlich der letzte Mensch überhaupt war. Zurückgelassen in einer Warenwelt, in einem wahren Schlaraffenland, in dem sie sich in Schokoladeneis wälzte.

Mit Mühe und unter Ächzen streckte sie dann ihren Arm hin zu dem roten Punkt um das weisse Piktogrammweibchen herbeizurufen und Schokoladeneis zu verlangen.

-Fallen-
Jeden Mittwoch kam eine der Töchter vorbei, sie waren so schwer auseinander zu halten. Das machte sie wütend. Danach tat es ihr leid, wenn sie barsch gewesen war. Wenn sie eine Gemeinheit über eine der Töchter gesagt hatte und sich dann herausstellte, dass die ausgerechnet gegen jene gerichtet war, die gerade an ihrem Bett gesessen und ihr vorgelesen hatte. Aber das Gefühl verflüchtigte sich ebenso rasch, wie die Gesichtszüge ihrer Töchter verschwammen, und zurück blieb das verstümmelte Echo eines schlechten Gewissens. Das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben und nicht zu wissen was. Weil sie das depressiv werden ließ, verabreichten ihr die hellblauen Pfleger passende Pillen. Aber so einfach war es nicht.

Ein Gedanke beschäftigte sie an diesem Mittwoch nachdem ihre Tochter abgezogen war besonders, ein Textfetzchen aus dem Buch, das die Tochter ihr gerade vorlas. Es haftete in ihrem Hirn wie ein Stück Tixo, das man von einer Hand zur anderen fitzelte und nicht los wurde: Der Grund, so hieß es in dem Text, weshalb manche kleinen Hunde ohne Rücksicht auf Leib und Leben weit größere, kräftigere Artgenossen angriffen, läge in einem Größe-Gen und in Folge an einem Zuchtfehler. Diese kleinen Hunde seien überzeugt, sie wären immer noch groß und mächtig. Genau so ginge es auch dem Lande Österreich.
Sie hatte laut aufgelacht, als sie das hörte.
Nun aber taten ihr die Hunde in ihrem Größenwahn leid.
Deswegen weinte sie.
"Die Arbeit der Nacht" war der Titel des Buches, aber wer ihr daraus vorgelesen hatte, begann ihr bereits zu entgleiten. Nur, dass es die Menschen mochten, wenn sie lachte, wusste sie.
Deswegen lachte sie.


-Der Kreis schließt sich-
Als sie endlich in dem hohen Pflegebett lag, erinnerte sie sich an ihre Lieblingsvorstellung damals, das quietschende Stockbett mutierte darin zur uneinnehmbaren Bastion gegen alle Unbillen der Welt, die da waren: peitschender Sturm und Schneegestöber, Hochwasser, Erdbeben und die Angriffe wahlweise böser Nachbarskinder oder glutäugiger Monster. Sie, im Obergeschoß des Bettes, wie auf einer Burgzinne, eingehüllt in die Decke und bis an die Haarspitzen verborgen, fühlte sich überlegen und sicher, der Ansturm des Bösen verursachte ein angenehmes Kitzeln in der Magengrube, eines, das man gern und wiederholt aus seiner Höhle lockte, wenn man sich in Sicherheit wiegte. Die ältere Schwester musste eine Etage tiefer ausharren, in dem der Gefahr weit eher ausgesetztem Parterre. Sie hatte wegen ihrer Beleibtheit von der Mutter diese Koje zugeteilt bekommen. Die Alten glauben immer, Kinder kriegen Ungerechtigkeiten nicht mit und auch nicht, wie die Liebe aufgeteilt wird.

Wenn sie nicht Schlafen konnten, drehten sich beide zur Wand hin, wo ein schmaler Spalt Raum zum Durchflüstern ließ. Zugedeckt und abgeschirmt zur Aussenwelt säuselte die Schwester aus dem Obergeschoß jener im Untergeschoß dann wirre lange Geschichten zu, die sich erst im Erzählen eigenmächtig entsponnen, sprangen, von einem Satz zum nächsten, sodass die Erzählerin sich selbst vom Fortgang der Ereignisse überraschen lassen konnte. Um Fahrten zum Mond und zu den Sternen oder wilde Fluchten übers Meer mit ihrem schwankenden Schiff ging es, solang, bis die Mutter ihr fünftes "Schlaft jetzt!" durch die geschlossene Tür schickte. Zorniger Wind.

Ihr Haar lag wie Gespinst auf dem hohen Krankenbettkissen, man konnte es nur ausmachen bei genauem Hinsehen, so weiss war das Kissen, weiss wie das Haar und die durchsichtige Haut.

Als die Gestalten in den hellblauen Kitteln verschwommen sich näherten spürte sie wieder das schaurige Kitzeln. Sie wusste gleich, die würden ihr nichts anhaben können. In ihrer Bastion war sie sicher.

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Gewissensfrage:

Wenn man das Rauchen nun per Gesetz verbieten will, weil es krank zu machen droht, müsste man dann nicht viel mehr und zu allererst Armut per Gesetz verbieten?


(Ich bedanke mich für den Denkanstoß bei Robert Pfaller - Professor für Kulturwissenschaft an der Uni für künstlerische und industrielle Gestaltung/Linz)

Donnerstag, 19. Oktober 2006

Austrinken.

Färbt sich wieder alles in Nebel. Zaghaft bläut es nach, oben, verletzliche Haut, ein Hämatom. Die Sonne macht noch Druck wenn die Erde sich gegen Mittag dreht. Um den Kadaver eines Cheeseburgers, auf dem Parkplatz zurückgelassen, streiten sich Krähenrudel, verbreiten ungewollt Melancholie. Eintöniger werden die Nummerntafeln, der Raupengang des Verkehrs gerät in Vergessenheit bis zum nächsten brüllenden Sommer, wo sich wieder alles beklagen wird, es wäre dies früher besser gewesen. Wann ist das: früher? Das Kippen, zurück in die Ländlichkeit, jedes Jahr, wie der Besuch beim Zahnarzt. Hoffen und bangen.
Und endlich: der Stille eine Chance.

Dienstag, 17. Oktober 2006

SUCHTLISTE (unvollst.):

Erste Sucht: Sauerstoff / alias Luft / vulgo Atmen. Erster Zug als Neugeborenes - seither bei einer Unterbrechung der Zufuhr von ca. 15 Sekunden bereits beginnende Entzugserscheinungen.

Zweite Sucht: Zuwendung. Wirkung von Zuwendung entspricht der von Dopamin. Entzugserscheinungen enorm und ansteigend, vergleichbar mit Heroinsucht. Bewirkt Neigung zur Beschaffungskriminalität wie z.B. terroristischem Brüllen, später differenziertere Methoden.

Dritte Sucht: Trinken. Angefixt kurz nach dem ersten Atemzug an Mutters Brust mit sog. Kolostrum. Die aufgenommenen flüssigen Substanzen diversifizieren sich über die Jahre. Abhängigkeit enorm und zunehmend.

Vierte Sucht: Schlaf. Abhängigkeit hoch. Bis zu 1/3 der Gesamtlebenszeit wird dafür aufgewendet. Entzug führt bereits nach spätestens 48h, meistens aber vorher, zu Wahnvorstellungen.

Fünfte Sucht: Wiederkehrende Aufnahme fester und halbfester Nahrunsmittel = Essen. Sucht manifestierte sich noch vor Durchbruch des ersten Milchzahns anhand Milupa Babybrei der Sorten Banane, Apfel/Zimt und Vanille.

Sechste Sucht: Weisses (leeres) Papier. Muss mittels geeignetem Werzeug unweiss (unleer) gemacht werden. Abhängigkeit hoch. Entzug führt zu unabwägbaren Zuständen.

Sechste Sucht, ex aequo: Geschriebenes. Abhängigkeitssymptome
a-typisch, ansteigend hinsichtlich Qualität, abnehmend hinsichtlich Quantität. Entzug führt zu zerebralem Jucken und Ausschlag, Überdosis zum Erblinden.

Siebte Sucht: Listen...

D U ?

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F I N D E N

 

P O S T

das glaub ich jetzt nicht;)
das glaub ich jetzt nicht;)
walhalladada - 12. Feb, 19:05
Wenn Sie wieder da sind,...
Wenn Sie wieder da sind, abonniere ich Sie wieder,...
walhalladada - 20. Jan, 17:40
Schweigen ist auch keine...
Schweigen ist auch keine Lösung! Maaah!
Tanzlehrer - 31. Aug, 22:35

B I L D E R W U T

F R E S S P A K E T



Michael Köhlmeier
Idylle mit ertrinkendem Hund


Jonathan Safran Foer
Everything is illuminated

O H R E N S A U S E N


Fredo Viola
The Turn



Adam & the Ants
Prince Charming


Arcade Fire
Funeral


David Martel
I Hardley Knew Me


Kaiser Chiefs
Off With Their Heads


The Ting Tings
We Started Nothing

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Zuletzt aktualisiert: 12. Feb, 19:05

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